Mein Angst Hund und meine Resilienz
- Lisa Tobschall
- 16. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Was ich von meinem Angsthund über Resilienz gelernt habe
Manchmal ist mein größter Lehrmeister vierbeinig, hat eine schiefe Wirbelsäule und panische Augen – und einen Willen wie ein Zen-Mönch in der letzten Phase seiner Erleuchtung.
Frau Holle, mein Hund, kam mit vier Monaten zu uns. Halb verhungert. Schwer verletzt. Voller Angst. Sie zitterte nicht nur – sie bebte. Und sie verschwand. Nicht für Stunden. Sondern für Wochen. Unter dem Bett. Dunkel. Still. Unerreichbar.
Vier Wochen lang kam sie nicht hervor. Nicht für Futter und schon garnicht für Streicheleinheiten. Nicht mal für Leberwurst.
Damals habe ich verstanden: Hier lebt kein Hund. Hier lebt ein Trauma.
Resilienz beginnt unter dem Bett

In der Resilienzforschung sprechen wir oft über Anpassungsfähigkeit, innere Stärke und Selbstregulation. Klingt schick – fühlt sich aber an wie: Ich bin da. Ich bleibe. Ich renne nicht weg. Und ich atme – auch wenn alles in mir schreit.
Frau Holle hat mir gezeigt, dass Resilienz nichts mit nur Ruhe zu tun hat. Und schon gar nicht mit „funktionieren“. Sondern mit Beziehung. Und Vertrauen. Vertrauen, das nicht eingefordert wird, sondern still angeboten. Jeden Tag aufs Neue. In winzigen Schritten. Mit einem Hauch von Wienern und Käse.
Coaching an der Leine
Ich sage oft, meine schwerste Klientin Atmet nicht viel durch. Sie Bellt. Laut. Und sie schaut mich an, mit diesen dunklen, tiefen, wissenden Augen – wie ein Spiegel, der mir gnadenlos zeigt, ob ich gerade wirklich bei mir bin.
Denn: Frau Holle reguliert sich nicht selbst. Sie reguliert sich über mich. Wenn ich ruhig bin, ist sie ruhiger. Wenn ich hektisch bin, gerät sie in Panik. Wenn ich innerlich leer bin – spürt sie’s schneller als mein bester Freund.
Das nennt die Wissenschaft Co-Regulation – und ich nenne es: Beziehung pur.
Ob mit Mensch oder Hund: Nur wenn ich in meiner Kraft bin, kann mein Gegenüber durchatmen. Und ja – das ist Arbeit. Innere Arbeit. Tägliche Praxis. Zen. Atmen. Schauen. Sein.
Die Stadt ist der Trigger. Die Wiese die Therapie.
In der Stadt ist Frau Holle ein vibrierendes Nervenbündel. Mülltonnen sind Monster. Kinder ein Risikofaktor. Alles ist zu viel.
Doch auf der Wiese? Da rennt sie. Da lebt sie.
Manche Menschen brauchen Berge, um zu sich zu kommen. Frau Holle braucht Gras unter den Pfoten. Raum. Natur. Und jemanden, der einfach nur da ist. Ohne Erwartung. Ohne Druck.
Was ich durch Frau Holle wirklich verstanden habe
Resilienz ist kein Zustand, sondern ein Beziehungsangebot.
Empathie bedeutet nicht, mitzuleiden – sondern mitzuatmen.
Manchmal beginnt Heilung dort, wo niemand hinschaut: unterm Bett.
Sanftheit ist eine Superpower.
Ich habe als Resilienztrainerin viele Bücher gelesen, Studien gewälzt, Meditationen gemacht. Aber nichts, wirklich nichts, hat mir so klar gezeigt, wie Regulation funktioniert, wie Frau Holle.
Heute lebt sie ein gutes Leben. Nicht perfekt, aber mit Würde, Weichheit und Wiesenmomenten.
Und ich? Ich bin dankbar. Für diesen kleinen Zen-Meister auf vier Beinen.